Inflation im September bei 4%. Bundesregierung muss Teuerung endlich an der Wurzel bekÀmpfen: Energiekosten mit +7,9% Haupttreiber. Lebensmittelhandel wirkt preisdÀmpfend.
Beim Zukunftsforum Ramsau 2025 richtete Handelsverband-GeschĂ€ftsfĂŒhrer Rainer Will in seiner Keynote den Fokus auf zwei zentrale Herausforderungen der heimischen Wirtschaft: den unfairen Wettbewerb im Onlinehandel und die extrem hohen Energiekosten als Haupttreiber der Inflation.
eCommerce: 100 Mio. Fernost-Pakete pro Jahr ĂŒberschwemmen Ăsterreich
Europas Konsumenten kaufen mehr denn je online â und immer öfter nicht bei HĂ€ndlern aus der EU, sondern bei Fernost-Plattformen wie Temu oder Shein. 2024 strömten 4,6 Milliarden Kleinstpakete unter 150 Euro Warenwert fast ungeprĂŒft in den Binnenmarkt. Kaum eine Branche wird so von China dominiert wie der eCommerce. Mit der AliGroup (AliExpress), Pinduoduo (Temu), JD und Douyin (TikTok) kommen vier der fĂŒnf gröĂten Onlineplattformen der Welt dem Reich der Mitte. Gemeinsam erwirtschaften sie ein Handelsvolumen (GMV; Gross Merchandise Value) von ĂŒber 3,5 Billionen Dollar.
Der Kern des Problems ist ein tiefes regulatorisches Ungleichgewicht. WĂ€hrend heimische HĂ€ndler jede Vorschrift penibel einhalten mĂŒssen, umgehen viele auslĂ€ndische Plattformen systematisch Zölle, Steuern und Sicherheitsauflagen.
Die Dimensionen sind gewaltig, im Vorjahr wurden von Temu, Shein & Co mehr als 100 Millionen Fernost-Pakete nach Ăsterreich geliefert. Dahinter steckt eine klare wirtschaftspolitische Agenda Chinas. Der Nationale Volkskongress hat beschlossen, den grenzĂŒberschreitenden E-Commerce jedes Jahr um 10% zu steigern. Angesichts des Zollstreits mit den USA wurde Europa als PrimĂ€rziel auserkoren. Die vom Handelsverband prognostizierten Umlenkungseffekte durch die Trump-Zölle und die Abschaffung der NAFTA-Freigrenze sind eingetreten und treffen uns jetzt mit voller Wucht.
Ăsterreich braucht „Aktion extrascharf“ gegen Fernost-Plattformhaftung
Dabei ist die Lösung einfach! âWir brauchen keine âAktion scharfâ gegen heimische HĂ€ndler, die hierzulande mehr als 700.000 Menschen beschĂ€ftigen. Was wir wirklich brauchen, ist eine âAktion extrascharfâ gegen Fernost-Plattformen. Diese mĂŒssen haften â so wie jeder europĂ€ische HĂ€ndler auch. Wenn der Kunde 100 Euro zahlt, dĂŒrfen nicht 30 auf der Rechnung stehen. Wer als Marktplatz Milliarden Produkte durchschleust, darf sich nicht aus der Verantwortung stehlenâ, so Rainer Will.
Genau das hat Ăsterreich bei der Verpackungsentpflichtung schon umgesetzt: Seit Plattformen fĂŒr eine korrekte Entsorgung von Verpackungen ihrer HĂ€ndler haften, funktioniert das System fairer. Es zahlen nicht mehr nur HĂ€ndler mit heimischer BetriebsstĂ€tte, wĂ€hrend die anderen das GeschĂ€ft machen, sondern alle Marktteilnehmer. Dasselbe Haftungsprinzip fordert der Handelsverband fĂŒr die korrekte Warendeklaration und Versteuerung.
HV-Beschwerde gegen Temu: BWB ermittelt seit 14 Monaten
âUnsere Bundesregierung kann auf nationaler Ebene eine Plattformhaftung fĂŒr die korrekte Warendeklarationen direkt umsetzen. Temu & Co sollen kĂŒnftig als Importeure angesehen werden. Wenn ein gesundheitsgefĂ€hrdendes Produkt ĂŒber ihren Marktplatz verkauft wird, mĂŒssen sie dafĂŒr haften. Wenn wiederholte VerstöĂe festgestellt werden, sollten als ultima ratio auch temporĂ€re Plattform-Sperren umgesetzt werden. Die Politik kann und sollte zum Schutz der Bevölkerung und der ArbeitsplĂ€tze sofort handelnâ, fordert Will.
Bereits vor 14 Monaten hatte der Handelsverband eine UWG-Beschwerde gegen Temu bei der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) eingereicht â die Ermittlungen laufen noch immer.
Handelsverband fordert Auflösung der Kreuzbeteiligungen im Energiesektor
DarĂŒber hinaus fordert der Handelsverband die BekĂ€mpfung der Inflation an der Wurzel: Ăsterreichs Energiepreise sind im internationalen Vergleich viel zu hoch und allein seit Jahresbeginn um mehr als 35% gestiegen.
Laut Abschlussbericht der gemeinsamen Energie-Taskforce von BWB und E-Control ist in Ăsterreich nach 24 Jahren der Liberalisierung noch immer kein funktionierender bundesweiter Wettbewerb im Energiesektor gegeben. Intransparente Preisgestaltungen, problematische Preisanpassungspraktiken und v.a. Kreuzbeteiligungen sind dafĂŒr verantwortlich. Der heimische Energiemarkt ist bekanntlich von einem dichten Netz an direkten und indirekten Beteiligungen zwischen Energielieferanten geprĂ€gt. Diese Kreuzbeteiligungen wirken sich wettbewerbshemmend und nachteilig auf den Wirtschaftsstandort aus.
Der Handelsverband unterstĂŒtzt daher die Forderung der BWB nach einer Auflösung der Kreuzbeteiligungen im Energiesektor. Denkbar wĂ€re auch eine Obergrenze fĂŒr Minderheitsbeteiligungen zwischen Energieversorgern von maximal 5%, sofern keine vollstĂ€ndige Entflechtung möglich ist. Dadurch könnte auch die Marktmacht einzelner Anbieter verringert werden. âWer die Teuerung wirklich stoppen will, muss bei den Energiekosten ansetzen. Solange hier teilstaatliche Oligopole und Kreuzbeteiligungen bestehen, werden Konsument:innen und Betriebe die Leidtragenden bleiben. Die aktuellen Reformanstrengungen Ă€ndern daran wenigâ, so Handelssprecher Rainer Will abschlieĂend.
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